Ausgetanzt und leise?

Der Bundesverband der Musikspielstätten LiveMusikKommission e.V. (kurz LiveKomm) wendet sich mit einem dringenden Appell unter dem Motto „Ausgetanzt und leise. Das Ende der Club- und Festivalkultur wie wir sie kennen“ an die politischen Entscheidungsträger. Die Kulturfabrik unterstützt den Apell. Denn auch die KUFA betrachtet mit großer Sorge, dass offensichtlich nach wie vor Unkenntnis darüber herrscht, welchen planerischen Aufwand der Veranstaltungsbetrieb voraussetzt. Ohne Perspektiven zu entwickeln, werden Entscheidungen auf kurze Sicht in einer unklaren politischen Gemengelage getroffen. Auch wenn nun Lockerungsmaßnahmen diskutiert werden, ist die Lage mehr als angespannt. Sportevents, Gastronomiebetriebe oder Brauchtumspflege (Alaaf!, Helau!) scheinen Perspektiven zu finden, während Musikclubs und Konzerte anscheinend regulativ bei ihrer Sonderstellung bleiben und im Vergleich unverhältnismäßig eingeschränkt werden. Doch Konzerte und Partys sind ein wichtiger Bestandteil der DNA der KUFA. Seit zwei Jahren sind Live-Veranstaltungen allerdings schwer eingeschränkt.

Die Nachtkultur braucht einen langfristigen Plan und Transparenz:

Wenn weiterhin nur ein Vortasten in kleinen Schritten den politischen Modus bestimmt, zeichnet sich ein trauriges Szenario ab: allervorsichtigste Lockerungen ermöglichen eine für Publikum und Betreiber*innen zufriedenstellende Öffnung erst im Sommer. Das ist zu spät, denn der Sommer ist (hoffentlich!) für Open-Air- und nicht für Indoor-Veranstaltungen. Die Club-Saison steht dann ab Oktober wieder unter schwierigen Vorzeichen, wenn die nächste Winterwelle droht. Das wäre ein weiteres verlorenes Jahr für die Clubkultur und das Ende vieler Spielstätten. Nach 23 Monaten Pandemie steht die Club-, Festival- und Nachtkultur wieder vor vielen Fragen und benötigt Antworten und Aufmerksamkeit. Folgende Forderungen müssen für den Erhalt der Club- und Festivalkultur erfüllt sein:

Clubkultur nicht weiterhin in die letzte Reihe stellen, Öffnungen auf Augenhöhe mit Gastronomie, Sport und Co. Die Erfahrungen der letzten Monate haben gezeigt, dass Schließungen verhältnismäßig leicht, Öffnungen hingegen schwerfallen. So kam es zu allerlei Unlogik. In einem Bundesland wurde getanzt, zwei Kilometer weiter nicht. In einem Stadion konnte Fußball, aber kein Konzert geguckt werden. In ein und derselben Stadt konnte ein Bierkeller oder Indoor-Spielplätze voll besetzt wirtschaften, ein Club jedoch musste dies z.B. mit Masken und halber Kapazität tun. So wird eine Kultur immer weiter abgewürgt, die essenziell für Jugendkulturen ist, die Subkulturen aller Art – von moshenden Metal-heads bis queeren Ballroomblitzern – Raum bietet und die Gemeinschaft feiert, in einem Land, das ein akutes Gemeinschaftsproblem hat. Wir meinen: der Verlauf der Pandemie wird nicht alleine mit geschlossenen Clubtüren entschieden.

Steh- und Clubkonzerte müssen als kulturelle Ereignisse und Erlebnisse berücksichtigt werden Lautstark sind die Stimmen, die die Kultur lobpreisen und möglichst offenhalten wollen. Doch ganz schnell engt der Kulturbegriff sich ein: auf Museum mit Maske, auf Arie mit Abstand. Der besondere Schutz, den die Kultur laut Grundgesetz genießt, muss auch für die Club-, Festival- und Nachtkultur mit ihren besonderen Produktionsbedingungen gelten. In kaum einer Verordnung eines Landes wird dem Umstand der Existenz von unbestuhlten Veranstaltungen Rechnung getragen. Wenn sich Tanzveranstaltungen finden, dann meist als pauschales Verbot. Die Grundrechte von Künstler*innen ihre Freiheit der Kunst auf unseren Bühnen zu verwirklichen werden ignoriert. Wenn die Ministerpräsidentenkonferenz Kultur als hochwertiges Gut einschätzt und die Notwendigkeit von Öffnungen für die Kultur sieht, Clubs im Mai 2021 vom Bundestag als kulturell wichtige Orte erklärt wurden, dann sind entsprechend hohe Anstrengungen nötig, um auch diese Art von Kultur zu ermöglich. Nur weil es schwierig ist, ist es nicht unmöglich!

Es braucht eine bundesweit gültige klare Perspektive mit Kennzahlen und keine pauschale (bundesweite) Schließung nach (350er-)Inzidenz Halten wir es simpel und docken uns mit diesem Vorschlag an das Ampelmodell einiger Bundesländer an:

weiß: Öffnung der Clubs ohne Auflagen

grün: Öffnung der Clubs für Personen mit 2G

gelb (Vorwarnstufe): Öffnung der Clubs für Personen mit 2G+ (+= Antigentest)

rot (Überlastungsstufe): Öffnung der Clubs für Personen mit 2G+ (+= mit subventionierten PoC-PCR)

Die entsprechenden Parameter, z.B. Hospitalisierung und/oder Intensivbettenbelegung als Kennzeichen für die Belastung des Gesundheitssystems, müssen im Zusammenspiel aus Wissenschaft und Politik festgelegt werden – und dies bundesweit (möglichst) einheitlich. Wichtig ist besonders, dass Veranstalten ohne Maske und Abstand möglich ist, da dies sowohl praktisch als auch qualitativ unabdingbar ist.

Jetzt einen Plan für den Herbst machen und PCR-Testkapazitäten ausbauen Um sich für den kommenden Herbst vorzubereiten, muss jetzt aktiv eine Brückentechnologie entwickelt werden, die im Herbst ein breites gesellschaftliches Leben ermöglicht. Dabei sollen PCR-PoC-Pooling-Tests helfen, dies wurde in Modellprojekten Open-Air in Brandenburg und Indoor in Berlin und Leipzig erfolgreich bewiesen. Darüber hinaus gilt es die Erfahrungen in Wien zu berücksichtigen, so dass ab Oktober genügend Tests vorhanden sind, die allen Arten von Leben, von künstlerischem Ausdruck und gesellschaftlicher Freiheit gerecht werden. Die Clubs stehen bereit, beim Schaffen der zusätzlichen Kapazitäten zu unterstützen. Anpassungen braucht es in den Verordnungen auf Bundes- und Landesebene und die Frage der Finanzierung muss geklärt sein. Wenn diese von uns favorisierte Lösung nicht umsetzbar erscheint, gilt es Alternativen zu finden, denn die Clubkultur wird einen dritten Winter nicht mehr durchstehen. Schon jetzt ist die Situation bedrohlich, das Personal wandert ab, die finanziellen und mentalen Reserven sind aufgebraucht. Der kommende Herbst muss mit einem Plan angegangen werden und darf nicht als Überraschung kommen.

Macht es möglich, erarbeitet Konzepte, öffnet die Kultur in der Gesamtheit – inklusive Club-, Festival- und Nachtkultur Jetzt kann mit Weitsicht gehandelt werden, was in der Vergangenheit versäumt wurde. Jetzt können für diesen kleinen, aber wichtigen Bereich der Kultur die richtigen Weichen gestellt und Maßnahmen entwickelt werden. Jetzt müssen die Ressourcen bereitgestellt werden, sie liegen nicht in einer entkräfteten Szene, sondern in der öffentlichen Hand. Selbstverständlich müssen die Hilfen fortgesetzt werden, erst recht, wenn eigenwirtschaftliches Handeln nur eingeschränkt möglich ist. Insgesamt ist dieser Kulturbereich auf eine nachhaltige Stärkung – z.B. durch einen Marshall-Plan – angewiesen. Wenn Club- und Festivalkultur als schützenswerter Teil der gesamten Kulturlandschaft eine Bedeutung hat, dann ist hier die Gelegenheit aktives Regierungshandeln zu zeigen.

Der Text ist dem Positionspapier der LiveMusikKommission entnommen.

Foto: Stefan Wehner