Jubiläen sind wichtige Ereignisse in der Geschichte von Organisationen. Sie geben Anlass, auf die Gründungsmotive zurückzuschauen, Erfolge und Misserfolge zu bilanzieren und die eigenen Strategien zu überprüfen. Sie bieten die Chance für Selbstkritik und Reflexion, aber auch dafür, neu aufzutanken und den Blick nach vorne zu richten. Die KUFA möchte diese Chance nutzen und den Blick zurück und nach vorne richten.
Stand heute
Nach über 30 Jahren hat sich die KUFA allen Widrigkeiten zum Trotz zu einer etablierten Größe in der Hildesheimer Kulturszene entwickelt. Mit über 60.000 Besucher- und Nutzer*innen ist sie die größte Einrichtung der freien Szene und präsentiert ein vielfältiges Kulturangebot für jung und alt. Doch die KUFA ist nicht nur Kulturveranstalterin von Konzerten, Partys und Theaterinszenierungen, sondern betreibt auch das Faserwerk am Ottoplatz und ist verantwortlich für die Nordstadt-Wandgalerie. Hinzu kommen unzählige Projekte im Stadtteil und der Region. Sie macht seit nahezu 30 Jahren “echte” soziokulturelle Projektarbeit, hat hiermit viele Preise auf Bundes- und Landesebene gewonnen und ist auch Initiator und Motor für die kulturelle Netzwerkarbeit in Region und Stadt.
So viel zum Status quo. Aber ist sie dabei noch so charmant, attraktiv und unangepasst wie früher, ist das Programm noch zeitgemäß, die Zielgruppe noch die richtige und sind die Projekte noch relevant? Oder ist mit den Jahren die Innovationskraft in den maroden Keller gewandert?
The Wind of Change
Diesen Fragen hat sich die KUFA in den letzten Jahren gestellt und in einem Changeprozess neue Perspektiven für interne Strukturen, das Corporate Design und die Programmarbeit entwickelt. Der Anspruch, ein qualitätvolles Programm möglichst niedrigschwellig für jung und alt anzubieten, sich gesellschaftspolitisch zu engagieren und Entwicklungen im Stadtteil mitzugestalten, wurde erneut mit Leben gefüllt. Kooperationen und Netzwerke sollen stetig erweitert werden. Auch Missstände in der KUFA wurden offen thematisiert und liebgewonnene aber „in die Jahre gekommene“ Formate auf den Prüfstand gestellt. Zu den Schwierigkeiten, die mit einem Changeprozess verbunden sind, kamen in den letzten zwei Jahren noch die Herausforderungen der Coronapandemie und die Auswirkungen des Ukrainekrieges stehen kurz bevor. So steht nicht nur die Kultur sondern dank Corona und des Krieges die gesamte Gesellschaft 2022 vor vielfältigen Herausforderungen.
Gesellschaft und Transformation
Wir befinden uns in einer Zeit der Transformation. Themen wie Digitalisierung, demografischer und Klimawandel, Krieg und soziale Ungerechtigkeit fordern die Gesellschaft heraus. Diese gesellschaftliche Vielfachkrise produziert Ängste und Unsicherheiten. Allerdings sehen inzwischen viele die Dringlichkeit, dass z. T. tiefgreifende Veränderungen anstehen.
Wie durch ein Brennglas wurden während der Pandemie die Schwächen in den Strukturen deutlich:
- Die stets unterfinanzierte Soziokultur benötigt bessere Rahmenbedingungen für faire Löhne und sichere Arbeitsbedingungen.
- Zur Erreichung der Klimaziele im Sinne des Green Deals sind Politik, Wirtschaft und auch die Kultur gefordert. Für eine nachhaltige Entwicklung der Gebäude braucht es zum Beispiel energetische Sanierungen und mehr Energieeffizienz.
- Digitalisierung und die Qualifizierung von Mitarbeiter*innen sind kein Selbstzweck, sondern Notwendigkeit.
- In Deutschland nimmt die soziale Ungleichheit zu. Es ist Zeit, die Ungleichheit wieder zu reduzieren. Das sichert den gesellschaftlichen Zusammenhalt und stärkt die Demokratie.
Dieses sind nur einige Beispiele für die Bereiche, die offenkundig hohen Handlungsbedarf haben. Wünschenswert wäre, dass alle zu entwickelnden Bereiche unter dem Aspekt der Nachhaltigkeit (zugleich ökologisch, sozial und ökonomisch) neu gedacht werden. Es wäre aber wohlfeil zu sagen, dass Kultur und ganz besonders die Soziokultur federführend bei der Transformation vorangehen sollte.
Soziokultur und ihre Kernkompetenz
Allerdings ist bewiesen, dass der Kultursektor eine wesentliche Revitalisierungsrolle nach bzw. noch in der Coronapandemie hat. Die derzeitigen Umstände zeigen deutlich, wie und dass soziokulturelle Kulturarbeit entgegen um sich greifender Verunsicherung kulturelle und gesellschaftliche Stabilität und Wirksamkeitserfahrungen herstellen kann. Beziehungen, Austausch und Ausdruck über Kunst und kulturelles Tun herzustellen, ist Kern von Kulturprojekten. Für soziokulturelle Akteure ist Teilhabe ein integraler Bestandteil ihres Selbstverständnisses.
Die KUFA spricht mit ihren kulturellen Angeboten und Begegnungsformaten ganz gezielt Menschen unterschiedlicher Milieus an, um schließlich den gesellschaftlichen und sozialen Zusammenhalt zu fördern. Die Ansätze der Gemeinwesenarbeit, der Stadtteilkultur und auch des Quartiermanagements finden sich hier wieder. Kunst und Kultur sind hier Methode und Kitt zugleich, um gesellschaftliche Ziele zu erreichen. In den Projekten nimmt sich die KUFA lokaler Themen an und wirkt seit Jahren identitätsstiftend in den Stadtteil hinein. Der KUFA gelingt es immer wieder, Lernorte und Experimentierfelder für die zivile Gesellschaft sowie Labore für demokratisches Denken zu schaffen. Manchmal ist sie allerdings auch ein Stachel im Fleisch der Kulturpolitik und fordert, noch mehr Menschen durch Kultur zu stärken. Also alles in allem auch nach dreißig Jahren immer noch charmant, attraktiv und unangepasst!
Es gibt noch viel zu tun! Wir wünschen viel Erfolg für die nächsten 30 Jahre!
Daniela Koss, Stiftung Niedersachsen