Bild on Markus Winkler (UNsplash)

Öffnungsstrategien unter der Lupe

„Wir haben bis auf Weiteres geschlossen“, „Die Veranstaltung wird auf nächsten Monat verschoben“, “Das Projekt muss wegen Corona leider abgesagt werden“. Diese Phrasen prangen seit nun schon seit über einem Jahr – mit kurzer Unterbrechung im Oktober – an den Türen und Websites von Museen, Theatern und soziokulturellen Zentren wie der KUFA. Denn seit über einem Jahr wird abgesagt und verschoben – ein Ende scheint nicht in Sicht für die Kultur- und Kreativbranche. Zusätzlich verzögern sich durch die dritte Welle längerfristige politische Entscheidungen und nachhaltige Strategien wieder – “sobald die Zahlen wieder sinken”.

Ein Jahr Stillstand

Die Kultur- und Kreativwirtschaft ist die mit am schwersten betroffene Branche – nach der Luftfahrt, aber sogar noch vor der Tourismus- und Autoindustrie. Doch nicht nur wirtschaftliche Auswirkungen wiegen im Kultursektor nach einem Jahr Stillstand schwer, auch das soziale Miteinander leidet.

“Der Austausch zwischen den Menschen (abseits von Onlineformaten), das gemeinsame Erlebnis und die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben sind die Grundvoraussetzung für unsere emotionale Entwicklung. Gemeinsames Lachen, Klatschen & Weinen verbindet Menschen, ist Ventil und Nährboden für Geist & Seele”, so fasst Stefan Wehner, Geschäftsführer der Kulturfabrik, die Situation zusammen.

Genau das ist  eigentlich entscheidend für die Bewältigung einer Krise – und für die Zeit danach; zumal die sozialen Folgen noch nicht abzusehen sind, die durch Sozial Distancing entstehen. Trotzdem scheint Kultur weiterhin als freiwillige Zusatzleistung betrachtet zu werden.

Öffnungsstrategie 2.0

Deswegen hat Stefan Wehner, Geschäftsführer der KUFA, stellvertretend für die Kulturfabrik, gemeinsam mit  dem Netzwerk Kultur & Heimat, dem IQ – Interessengemeinschaft Kultur Hildesheim, Litteranova, audio coop Veranstaltungstechnik e. K. und Schwarzes Huhn GbR in einem Schreiben an den Landkreis Hildesheim nach einer “Inzidance/ Öffnungsstrategie 2.0” gefordert:

Wir müssen lernen, langfristig mit diesen neuen Verantwortungen umzugehen. Und dazu gehört, sich auf die neuen Begebenheiten einzustellen: Wir Veranstalter*innen, Kreative, Künstler*innen & technische Dienstleister*innen sind dazu bereit! Daher fordern wir von den verantwortlichen Entscheider*innen eine detailliertere Betrachtung im Einzelfall unabhängig vom Inzidenzwert:

  • Die Prüfung unserer Hygienekonzepte vor Ort im Vergleich zu als systemrelevant geltenden Branchen: Was unterscheidet den Abstand, der beim Friseur eingehalten werden muss, von dem Abstand zwischen den Menschen bei bestuhlten Veranstaltungen?
  • Die kurzfristige Einführung der luca-App (oder eines vergleichbaren Tools) im Landkreis Hildesheim zur Kontaktdatenübermittlung und Nachverfolgung für Gastgeber*innen und Gäste.
  • Eine individuelle Betrachtung von Angeboten unter freiem Himmel unter Einhaltung aller erforderlichen Schutzmaßnahmen.

Es muss eine Anlaufstelle eingerichtet werden, die sich konkret mit unseren Belangen beschäftigt, sich zuständig fühlt und unsere Anfragen ernst nimmt. Wir – die Unterzeichner*innen – brauchen eine langfristige Öffnungsstrategie und Planungssicherheit über den Sommer 2021 hinaus.

Unter der Lupe

“Corona wirkt wie ein Brennglas” – eine Metapher, die im Zusammenhang von Kultur oft fällt und gleich zwei starke Bilder entwirft. Zum einen die Lupe, die sichtbar macht, was davor nicht gesehen wurde. Zum anderen das Brennglas, welches Licht so stark bündelt, dass Brände entstehen können. Durch die Pandemie wird sichtbar, welchen Stellenwert Kultur hat – wirtschaftlich und gesellschaftlich. Und es stellt sich die Frage, welche Priorität Kultur hat, beziehungsweise haben sollte; nicht nur während Corona, sondern auch, wenn die Krise wieder vorbei ist.

Ist das alles von der Kunstfreiheit gedeckt?

Kultur gilt aktuell nicht als systemrelevant, sondern als freiwillige Leistung. Trotzdem ist der Wunsch nach Musik, Kunst, Theater groß. Denn durch diese Sparten, egal ob übergreifend oder nicht, können Geschichten erzählt werden, die von Menschlichkeit und Gemeinschaft handeln,  welche Fakten und Paragrafen im Gegenzug nicht im Ansatz greifen können. Und die gerade jetzt von großer Bedeutung sind.